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Eigentlich geht es nur noch um die Größe

21/11/2015

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Interview mit Andreas Ernst, alias »zoolo« – Graffiti-Sprüher aus Freiburg
Portrait Andreas Ernst, zoolo
An einem nebligen Sonntagnachmittag hatte ich die Freude mit dem in Freiburg lebenden Andreas Ernst (Jahrgang 1973) über sein Leben als Graffiti-Sprüher zu sprechen. Anlass war ein Graffiti-Workshop, den er kürzlich in Tatschikistan zur »Europäischen Woche« gegeben hat.
Andreas, wie bist du zum Sprühen gekommen?
Das war in der 8. Klasse, als ich in die Realschule kam. Dort lernte ich einen Kollegen kennen, der hatte Graffiti-Bücher aus München dabei, das fand ich cool. Wir sind dann zusammen sprühen gegangen und waren total begeistert. Im Gegensatz zu mir hat er damit wieder aufgehört. Irgendwie hat mich das angetrieben was cooles zu machen. Wenn du 15 bist, als Junge, da musst du immer cool sein, das ist wichtig. Da sonst keiner in meiner Stadt gesprüht hat, war ich natürlich cool! Zu wissen, man hat etwas gesprüht und die Anderen wissen nicht von wem das ist und sehen das und finden das vielleicht auch geil – das fand ich natürlich faszinierend. Das hat mich angetrieben mich um Wände zu kümmern und dann auch legal zu malen.
Benutzt du noch andere Medien als die Sprühdose und Wand?
Ja, ab und zu sprühe ich Leinwände. Manchmal skizziere ein Motiv auf Papier und überlege mir die Farben. Bei großen Flächen verwende ich gern Wandfarbe, oder Lack. Gerade große Flächen streiche ich mittlerweile nur noch, da das mit der Sprühdose viel anstrengender ist und stinkt. Auch umweltmäßig ist das besser. Für eine große Wand sind schnell 10 bis 20 Dosen leer.
Ich stelle mir das wahnsinnig aufregend vor, nachts mit Dosen im Gepäck loszuziehen. Was war dein eindrücklichstes Erlebnis?
Eine Geschichte in Offenburg damals. Wir haben einen Zug gesprüht und hatten dummer Weise das Auto im Bahngelände geparkt, auf das die Polizei aufmerksam geworden ist. Als wir fertig waren haben sie uns dort empfangen. Da gab's dann Gerichtsverhandlung, Strafe und so weiter.
Aber das krassere Erlebnis als solches hatte ich in Buenos Aires. Wir waren in einem U-Bahnschacht zwischen zwei Zügen unterwegs. Dort kam uns plötzlich ein Polizist hinterhergerannt und bedrohte uns mit einem riesigen Revolver, wie im Wild-West-Film. Da kriegst du schon großen Respekt und bist froh, wenn du weg bist!
Inzwischen bist du ein bekannter Sprüher unter dem Pseudonym »zoolo«, der Auftragsarbeiten macht. Hast du jetzt noch die Möglichkeit illegal zu malen?
Die Möglichkeit hat man natürlich immer. Wenn ich das machen würde, würde ich nicht den Namen »zoolo« sprühen. (grinst) Aber das ist auch durch für mich, das Thema. Es ist mir zu anstrengend und ich kann das jetzt einfach nicht mehr bringen. Ich bin Lehrer an der Realschule. Das kannst du keinem mehr vermitteln, wenn du als Lehrer anfängst noch illegal rumzusprühen, das geht nicht. Wenn man jedoch will, findet man immer einen Weg, das ist klar.
Da sind wir schon beim nächsten Thema: Gibt es für dich als Lehrer eine Diskrepanz zwischen dem »Vorbild-sein« und dem »Sprayer-sein«?
Es gibt Schüler die finden das cool, das der Lehrer sprüht. Manche verstehen das nicht, manche finden es scheiße. Es gibt mit Sicherheit auch Eltern und Kollegen, die zu wenig Verständnis haben. Aber es ist ja auch immer die Frage, wie man das macht. Viele verbinden damit, dass man nachts durch die Stadt zieht und alte Häuser bombardiert mit Schriftzügen. Und wenn man dann mal das Auge aufmacht, was man alles damit machen kann, dann ist das ja 'ne tolle Sache. Dann sollte das auch für niemanden ein Problem sein: Es gibt legale Wände in Freiburg, da kann ich malen was ich möchte. Und ich mache Auftragsarbeiten. Da gibt es für mich von der moralischen Seite kein Problem. Weil ich die Schüler ja auch nicht motivieren möchte illegal zu sprühen. Wenn ich mit Schülern sprühe, was ich immer wieder mache, dann ist ein Teil der Thematik auch immer die illegale Geschichte und welche Konsequenzen die hat und auch welche Wertvorstellung ich habe. Am Ende geht es um den Respekt vor anderen Sachen, die einem nicht gehören, dass man die eben nicht einfach anmalt. Deswegen sehe ich da keine Diskrepanz.
Ich würde deinen Stil als »kubistisch« oder »plain« bezeichnen, der sich deutlich von sonst verspielteren Styles unterscheidet. Wie bist du dazu gekommen?
Das hat sich im Lauf der Jahre ergeben. Ich habe früher ganz klassisches Graffiti gemacht, mit verschiedenen Styles und Elementen dran. Irgendwann hat mich das gelangweilt. Das Thema »Buchstaben« steht immer noch im Vordergrund, aber mir geht es darum eine Fläche zu gestalten und mit Farben und Formen zu arbeiten. Das hat mich mehr fasziniert, sodass ich begonnen habe, sehr saubere Sachen zu machen, lange gerade Linien, keine Schattierungen, sehr geometrisch alles. Das wurde immer krasser. Diese geradlinigen Sachen waren wie ein Stempel. Dann habe ich angefangen, das wieder mit etwas mehr Schwung zu versehen, dass es mehr Power kriegt. Ich arbeite dran, dass es mehr Dynamik bekommt: Kaum noch gerade Linien, sondern, dass alles aus Kurven besteht, die sich überschneiden, dass die Outlines raus gehen und sich überlappen.
Seit letztem Jahr habe ich angefangen mit den Farben in den Buchstaben mehr zu arbeiten. Ich baue es noch auf wie früher, dass ich es vorskizziere und die Buchstaben komplett fülle. Aber alle Farben die ich verwendet habe ziehe ich jetzt durch alle Element komplett durch, sodass das Bild mehr aufbricht und der Rahmen gesprengt wird. Damit vielleicht nicht mehr gleich ersichtlich ist, dass da »zoolo« steht.
Sprühst du immer deinen Namen »zoolo«?
Graffiti entstand, indem man seinen Namen in der Stadt verteilt hat, um aus der Anonymität raus zu kommen und auch, dass Andere das sehen. In den 90ern war das noch sehr voneinander getrennt. Es gab die »Style-Maler« (Schriftzüge) und die »Character-Maler« (Figuren) und nur ganz wenige die beides gut konnten.
Entweder sprühe ich meinen Namen, oder mache figurmäßig irgendwas. Das ist ja das typische Graffiti-Ding. Ich sehe das auch nicht als »Streetart« an. Das ist für mich was anderes.
Bei der Streetart-Welle, die seit ein paar Jahren populär ist, holen die Leute sich zum Beispiel beim Postamt Aufkleber, besprühen die zu Hause und kleben die dann irgendwo hin, oder sie kleben eine besprühte Kachel an die Autobahn und bezeichnen sich dann als »Streetartist«. Dieses »selbst-feiern« ist das, was mich daran stört. Das sind eher die Leute ohne Bezug zu Graffiti, die das Medium Sprühdose für sich entdeckt haben. Das ist die einzige Verbindung die ich da sehe und das halt auch viel illegal abgeht.
Graffiti passiert auf der Straße, du gehst an die Wand und ballerst die zu. Es gibt sicher viele Leute, die das künstlerisch machen und auch wahnsinnig gut sind, aber das ist erst mal gar nicht der Anspruch. Ein Sprüher will in erster Linie geile Styles malen und sich nicht als Künstler darstellen. Das heisst nicht, dass das dann keine Kunst sein kann, aber die wenigsten würden sich als Künstler bezeichnen. Und wenn, dann gehen sie in eine andere Richtung. Ich bin halt ein Graffiti-Sprüher, fertig aus.
Andreas bei der Arbeit in der Atriumspassage bei August2 / Kultur Aggregat (08.2015)

Wie kommt Andreas Ernst nach Tatschikistan?
Das war richtig geil. Ich hatte auf einmal eine E-Mail von der Deutschen Botschaft, Duschanbe in meinem Postkasten. Mit der Anfrage, ob ich in der »Europäischen Woche«, die im Oktober stattfindet, als deutschen Beitrag einen Graffiti- und Streetart-Workshop anbieten möchte. Das war eins der Highlights, die mich bestätigt haben, das Graffiti einfach geil ist! Ich habe durch das Sprühen schon so viele geile krasse Sachen erlebt, das möchte ich einfach nicht missen. Es waren 18 Kunststudenten, der Workshop ging zwei Tage. Ich hätte gern mit ihnen zusammen eine große Wand gemalt, zeitlich wäre es möglich gewesen, aber im Material-Budget nicht drin. Außerdem gibt es in Tatschikistan kein Graffiti. Eine Wand zu organisieren funktioniert dort nicht so einfach. Die Leute trauen sich wahrscheinlich auch nicht zu sagen, »wir finden das gut, wir wollen das machen«. In der Öffentlichkeit siehst du nichts, da hat keiner den Mut zu sagen »so, das machen wir jetzt einfach«. Es gab Studenten im Kurs, die mich gefragt haben, ob wir abends noch losziehen, aber das kann ich nicht machen. Als der Workshop vorbei war konnte ich eine Wand malen, leider nicht ganz so, wie ich das wollte. Es war keine öffentliche Wand, sondern im Innenhof der Kunstschule. Die Allgemeinheit sieht das nicht.
Hast du derzeit weitere Projekte geplant?
Ja, gegen Ende des Jahres wollte ich, wenn das Wetter mitspielt, noch ein Bild malen, was das größte Graffiti Freiburgs sein wird, was einer alleine gemalt hat: ca. 40 Meter lang und 6 Meter hoch. Und das wird auf jeden Fall mein Schriftzug »zoolo« sein. Das langfristige Projekt ist natürlich die Weiterentwicklung meines Styles, ich will weiter kommen und da nicht stehenbleiben.
Gibt es ein Traumprojekt, was dich total reizen würde?
Es gibt schon so eine Idee von Sachen, die ich gerne machen würde, aber ich kümmere mich oft nicht darum. La Gomera hat am Hafen so eine große Wand, die hätte ich richtig Bock mal zu malen. Je größer, je besser. Ich habe schon so viel gemacht, auch viele große Sachen. Es müsste das Ganze noch mal toppen. Eigentlich geht es nur noch um die Größe, so sind wir Männer (lacht). Zum Beispiel eine extrem große Wand als Auftrag zu malen, wo man vor neue Herausforderungen gestellt ist. Die Größte war bisher ca. 850 qm.
Was ich mal machen wollte – es hat sich aber zerschlagen – eine gesamte Unterführung, die legal ist, zu malen. Aber das ist auch eine Zeitfrage, denn dann müsste ich zwei Wochen jeden Tag mit dem Schlafsack dort sein und gucken, dass es von andern Sprühern respektiert wird und da Niemand rein malt. Wenn es fertig ist, müsste man ein Event draus machen, damit die Leute es auch wahrnehmen. Aber dazu bräuchte ich jemanden, der mir das alles managet und ich mache es dann einfach.
In vier Jahren möchte ich eine Ausstellung machen: 30 Jahre zoolo, dann wird's Zeit. Eine Darstellung von dem was war, das ist ja bei Graffiti sehr vergänglich. Eine Mischung aus Dokumentation, gemalte Wände und Leinwände. So stelle ich mir das vor.

Da bin ich dabei! Herzlichen Dank Andreas für die offenen Worte!

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    Autor

    Hildegard Brinkel

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